Die Geschichte

Teil I von Ernst Feldmann

Besuch des Gemeinderates in Lezay im März 1972

1970 hatte die Barver Landjugend unter Federführung von Hermann Blome den Antrag an den Gemeinderat gestellt, eine Patenschaft mit der französischen Gemeinde Lezay zu beschließen. Dieser Beschluss wurde 1971 gefasst.

Auf Einladung des Bürgermeisters von Lezay Dr. med vet. Mornet, der auch das Amt des Präsidenten der französischen und europäischen Tierärzteschaft bekleidet, unternahm der Gemeinderat Barver unter Führung seines Bürgermeisters Adolf Rohlfing im März 1972 eine Frankreichfahrt, um die zwischen den beiden Gemeinden geplante Patenschaft zu sondieren. Es hatten sich auch einige Nichtratsmitglieder und Frauen angeschlossen, so dass die Reisegruppe 23 Personen zählte.

Lezay liegt zwischen der Loire und Garonnemündung, also zwischen Nantes und Bordeaux, 400 km südlich von Paris, 120 km vom Atlantik entfernt. Der Ort ist Verwaltungszentrum einer Samtgemeinde von 10 Einzelgemeinden und zählt etwa 2200 Einwohner. Die ganze Gegend ist landwirtschaftlich orientiert, nennenswerte Industrie fehlt.

Der Skandinavien-Express führte uns über Köln – Paris – Orleans – Tours – Poitier nach St. Maixent, von wo uns ein Bus nach Lezay brachte. Nach einer feierlichen Begrüßung am Sonntagmorgen im Rathaus mit Ansprachen der beiden Bürgermeister und nach Austausch von Erinnerungsgeschenken wurde die Patenschaft zwischen den beiden Gemeinden Lezay und Barver vollzogen.

Für den Aufenthalt in Lezay war ein umfangreiches Programm aufgestellt, das Besichtigungen und Veranstaltungen aller Art vorsah. Dazu gehörten: die große Genossenschaftsmolkerei, mehrere landwirtschaftliche Betriebe, Kälber- und Ziegen-Wochenmarkt, Weinbrandfabriken in Cognac, Bullenbesamungsstation, Altersheim und Ganztagsschule.

Am Vorabend unserer Abreise vereinigten sich Lezayer und Barveraner im großen Esssaal der Schule zu einem vergnüglichen Finale bei viel Musik, Volkstänzen und Pfannkuchenessen.

Außer den Besichtigungen fand ein Gemeindeabend mit einem Konzert des Musikzuges und mit Volkstänzen statt. Bei dieser Gelegenheit hielt Ernst Feldmann einen Vortrag in französischer Sprache und gab einige Anekdoten zum Besten.

Die Aufnahme seitens der Quartiergeber und der interessierten Bevölkerung war vom ersten Tage an überaus herzlich. Mit Geschenken überhäuft, verließen wir unsere Patengemeinde Lezay die uns für immer in guter Erinnerung bleiben wird.

Die Rückfahrt erfolgte nach einem herzlichen Abschiednehmen durch eine der fruchtbarsten Gegenden Frankreichs nach Paris, wo wir ein Hotelquartier bezogen und Paris bei Nacht kennenlernten. Am nächsten Tage machten wir eine mehrstündige Stadtrundfahrt und besuchten die Hauptsehenswürdigkeiten der Stadt. Am Abend bestiegen wir wieder den Skandinavien-Express  und betraten am Sonnabendmorgen wieder heimischen Boden. Es war eine lehr- und erlebnisreiche, eine anstrengende, aber auch vergnügliche Fahrt.

Wir freuen uns über einen Gegenbesuch des Gemeinderates von Lezay unter Führung seines vitalen und sympathischen Bürgermeisters Dr. Mornet.


Paten aus Lezay kommen nach Barver

Am Sonnabend, den 25. August 1973 traf eine 27 Personen starke Delegation unter Führung von Bürgermeister Dr. Mornet zu einem Gegenbesuch in Barver ein, um in einem feierlichen Festakt die Patenschaftsurkunde zu unterzeichnen.

Den Grundstein für dieses Beispiel der Völkerverständigung legten im Jahre 1966 die Landjugendgruppen beider Gemeinden.

Der Patenschaftsausschuss hatte ein umfangreiches Programm erarbeitet. Am offiziellen Empfang begrüßte Bürgermeister Friedrich Schumacher die Gäste, dankte für den Besuch und versprach, ein guter Gastgeber zu sein. Als sichtbares Zeichen der Verbundenheit überreichte er Dr. Mornet eine Tischglocke für die Sitzungen des Gemeinderates Lezay. Nach den Grußworten, die vom Chronisten übersetzt wurden, hielt Bürgermeister Dr. Mornet eine zündende Ansprache die mit den Worten schloss: „Es lebe Barver – es lebe Lezay!“

Nach Verlesung der beiderseitigen Urkunden und dem Austausch von Gastgeschenken wurden die offiziellen Patenschaftsdokumente unterzeichnet. Den würdigen Rahmen für diese denkwürdige Stunde lieferte der Posaunenchor, der die französische Nationalhymne neben dem Deutschlandlied so sauber und korrekt intonierte, dass Dr. Mornet dem Dirigenten und den Bläsern seinen besonderen Dank aussprach.

Das weitere Programm der Woche: Besichtigung eines Bauernhofes in Hemsloh, Rundfahrt durchs Hemsloher Moor, Torfwerk Ströhen, Gestüt Ismer, bunter Abend mit anschließendem Tanz bei Schild-Zöllmer, Brauerei Barre in Lübbecke, Orchideenzucht in Lemförde, Dümmerfahrt, Stadtrundfahrt in Diepholz, Besichtigung der Jahnschule, und des Hallenbades, Streifzug durch Bremen und Hafenrundfahrt.

Besonders ist auch eine gemeinsame Sitzung der Räte aus Lezay und Barver zu erwähnen. In einem Erfahrungsaustausch berichtete Bürgermeister Dr. Mornet über Haushalt und Bauvorhaben seiner Gemeinde, und Bürgermeister Schumacher und Gemeindedirektor Hermann Menke schilderten die Probleme, mit denen der hiesige Gemeinderat zu kämpfen hat. Im Anschluss an die Berichte entspann sich eine lebhafte Aussprache. Mit einem Abschiedsessen zu Ehren der Gäste und ihrer Quartiergeber fand die französische Woche in Barver ihren Abschluss.

Eine Reportage über die Entstehung der Patenschaft und über den Verlauf der Feierstunde bei Schild-Zöllmer wurde vom norddeutschen Rundfunk aufgezeichnet und am 27. August 1973 vom NDR II übertragen.              



Teil II von Wilhelm Hollberg

Wesentliche Voraussetzung der Patenschaft allgemein war der Freundschaftsvertrag zwischen Frankreich und Deutschland, der am 22.01.1963 von beiden Staaten geschlossen, und von Ch. De Gaulle (Staatspräsident von Frankreich) und Dr. K. Adenauer (Deutscher Bundeskanzler) im Elysee-Palast in Paris feierlich unterzeichnet wurde. Dieser Vertrag sollte als Ausdruck der deutsch-französischen Aussöhnung nach dem 2. Weltkrieg eine dauerhafte Zusammenarbeit sicherstellen. Gleichzeitig wurde das deutsch-französische Jugendwerk für den Jugendaustausch gegründet, das jährlich mit einem hohen Geldbetrag von beiden Staaten ausgestattet wird. Das deutsch-französische Jugendwerk verteilt das Geld an Jugendorganisationen in beiden Ländern, die einen Jugendaustausch organisieren. 

Nachdem die ältere Generation durch den 2. Weltkrieg sehr stark belastet war, wurde der Jugend hiermit nun die Möglichkeit gegeben, unbekümmert und ohne Vorurteile durch ein gegenseitiges Kennenlernen, Bekanntschaften und Freundschaften zu knüpfen.

So kam 1966 eine Gruppe französischer Besucher zu Hermann Blome nach Barver, der aktiv Landjugendarbeit gestaltete. (Hermann war Vorsitzender der Landjugendgruppe Barver. Die Gruppe war zu der Zeit sehr aktiv.)

Dieser Besuch war das Fundament der hiesigen deutsch-französischen Freundschaft, die Grundlage der Patenschaft zwischen Lezay und Barver. Bald war auch der erste Gegenbesuch geplant. Alle die am ersten Besuch in Lezay teilnahmen, waren überrascht von der Freundlichkeit und Offenheit, mit der sie dort begrüßt und bewirtet wurden. Ein kleines Problem war die Verständigung, aber hier war Theo Dries mit seinem Französisch eine gefragte Person. Theo war Franzose, kam durch den Krieg nach Deutschland und fand in Barver seine zweite Heimat.

Als der Antrag der Landjugend 1971 an den Gemeinderat gestellt wurde, eine Patenschaft zwischen Barver und Lezay zu beschließen, war man im Rat der Meinung, wenn man der Landjugend einen angemessenen Geldbetrag zur Verfügung stellen würde, wäre mit diesem Beschluss für den Gemeinderat der Punkt abgeschlossen.

Doch durch diesen Beschluss wurden die Weichen für die Zukunft in Richtung Völkerverständigung erst richtig gestellt. Ernst Feldmann, der die französische Sprache in Wort und Schrift sehr gut beherrschte, zu der Zeit Protokollführer im Gemeinderat, war ein großer Befürworter dieser Patenschaft.

Bevor der Gemeinderat aber zu einer Patenschaft bereit war, wollte er Lezay einen Besuch abstatten, um den Ort wenigstens ein bisschen kennen zu lernen. Adolf Rohlfing, 1972 bei diesem 1. Besuch des Gemeinderates in Lezay noch Bürgermeister, sagte nach der Rückkehr: „Wir sind positiv überrascht und froh, dass wir zuerst eingeladen wurden. Wir haben erlebt, mit wieviel Überzeugung und Zeit ein Empfang und ein Wochenprogramm organisiert und durchgeführt wurde.“


Durch die Aktivitäten mehrerer Personen in Zusammenarbeit mit Lehrern der Realschule Diepholz wurde auch ein Patenschaftsverhältnis zwischen der Realschule Diepholz und der Schule Lezay in die Tat umgesetzt. Einmal im Jahr fand dann ein Schüleraustausch statt. Alle Schüler und Schülerinnen hatten nun die Möglichkeit, an einem Besuch teilzunehmen. Hiermit war auch gegeben, dass der Austausch nicht nur auf Barver beschränkt war. Viele Jugendliche haben dieses Angebot gerne angenommen, um in jungen Jahren Lebens- und Essgewohnheiten, Sprache und vieles mehr kennenzulernen. Hüben wie drüben waren die Jugendlichen meistens in Familien, die selber schulpflichtige Kinder im gleichen Alter hatten, untergebracht. Sie nahmen in der Zeit ihres Aufenthalts auch am Unterricht teil. 

Nachdem das Schulzentrum in Wagenfeld gebaut war, gingen die Barveraner Realschüler nicht mehr nach Diepholz sondern nach Wagenfeld zur dortigen neuen Realschule. Die Gemeinde Wagenfeld hatte aber eine Patenschaft mit der französischen Gemeinde Vibraye. So kam es in den folgenden Jahren zu Missstimmungen, Lezay oder Vibray oder abwechselnd. Auf Dauer wurde keine Einigkeit erzielt. Wagenfeld entschied sich für Vibray und so verlief diese wunderbare Möglichkeit des Schüleraustausches für Barver im Sande. Die Patengemeinden Barver und Lezay haben diese Entscheidung mit Bedauern zur Kenntnis genommen.


Der Anfang einer langjährigen partnerschaftlichen Beziehung war gemacht. Die Möglichkeit an einem Besuch in Lezay dabei zu sein, auch über Barver hinaus, war gegeben. 

Neben der Landjugend folgte 1974 der Sportverein mit einem Besuch in Lezay. Zum ersten Mal kam es zu einem sportlichen Vergleich. Nach dem Abspielen der Nationalhymnen standen sich die Fußballmannschaften von Lezay und Barver gegenüber. In einem fairen Spiel verlor Barver mit 4:2.

Später folgten dann der Gesangverein und die Feuerwehr. Alle Besuche waren offen für alle. Somit war für jeden die Voraussetzung geschaffen  teilzunehmen. Viele, die aus verschiedenen Gründen nicht mitfahren konnten, waren aber bereit, Besucher aus Frankreich aufzunehmen, um hier mit ihren Gästen an Tagesfahrten und anderen Veranstaltungen teilzunehmen. Auch dieses ist ein großer Beitrag, diese Patenschaft zu unterstützen. Die Besuche und Gegenbesuche finden im zweijährigen Rhythmus statt. Viele engere Bekanntschaften und Freundschaften wurden geschlossen. Hermann und Friedrich Blome, beide fanden durch diese Patenschaft in Lezay ihre Frauen fürs Leben.

Wurden anfänglich die Fahrten mit der Eisenbahn unternommen, stieg man später auf Reisebusse um. Es war genauso günstig und wesentlich einfacher. In Paris mussten die Reisenden nicht mehr  mit dem ganzen Gepäck in die Metro, um vom Nordbahnhof zum Südbahnhof (Austerlitz) zu kommen. Außerdem konnten die Fahrten flexibler und interessanter gestaltet werden. Auf der Hinfahrt suchten die Organisatoren meistens große französische Städte wie Paris, Reims, Orleans oder andere als Übernachtungsmöglichkeit aus. Dieser Zwischenstopp wurde dann zu Stadtrundfahrten mit Stadtführer(in) oder zum Stadtbummel („Paris bei Nacht“) genutzt. Auch von hier konnte man viele Eindrücke über das Leben einer französischen (europäischen) Großstadt mitnehmen. Jede Fahrt zur Patengemeinde Lezay hatte immer ihren besonderen Reiz, jedes Mal war die Reisegruppe von überwiegend anderen Teilnehmern zusammengesetzt und jedes Mal gab es viel Spaß. Die Reisen wurden ohne Inanspruchnahme eines Reisebüros durchgeführt, wobei Fritz Bünte bei fast allen Fahrten die Reiseleitung übernahm. Den Bus stellte immer die Firma Jöres aus Ströhen, mit den uns bekannten Fahrern Rolf Reinermann aus Wagenfeld oder Otto Flachmeyer aus Barver.

In fast jeder Wahlperiode gab es Gegenbesuche durch die Gemeinderäte. Auch das 10jährige, das 20jährige und das 25jährige Bestehen der Patenschaft wurde im Rahmen der Besuche der Gemeinderäte in Barver und Lezay jeweils in einem würdigen Rahmen begangen. Auch dieses trug zur Pflege der guten Beziehungen bei.

Um die Besuche in Lezay vorzubereiten und vor allem die Programme für die Gegenbesuche zu organisieren, wurde 1972 ein Patenschaftsausschuss aus Ratsmitgliedern und hinzu gewählten Personen aus der Barver Bevölkerung gebildet. Der Patenschaftsausschuss stand aber auch allen anderen Gruppen und Vereinen mit Rat und Tat zur Seite. Der erste Patenschaftsausschussvorsitzende war Alfred Winkelmann-Bünte. Am 4. November 1986 wurde dann Fritz Bünte als Vorsitzender gewählt.

Alle Fahrten werden langfristig durch den Patenschaftsausschuss geplant. Finanzielle Unterstützung gab es bis 1989 vom deutsch-französischen Jugendwerk und ab 1990 wurden die Fahrten von der EU in Brüssel bezuschusst.

Bei offiziellen Anlässen der Gemeinderäte und anderen Gruppen oder Vereinen werden Gastgeschenke zur Erinnerung des Anlasses ausgetauscht. Die Geschenke der Gemeinde im Werte von ein paar hundert Mark wurden aus der Gemeindekasse bezahlt. Die anderen Gruppen und Vereine finanzieren ihre Gastgeschenke selber. Alle anderen Kosten tragen die Beteiligten selbst.

Vieles hat sich seit Beginn der ersten Kontakte geändert. Die Grenzen zum Osten Deutschlands gibt es nicht mehr, die Grenzen zu Mitgliedsländern der EU sind offen und die anderen Grenzen zu den osteuropäischen Nachbarn sind durchlässiger geworden.

Danken können wir all denen, die sich in all den Jahren für Völkerverständigung und Abbau der Grenzen eingesetzt haben, um in Frieden und Freiheit in Europa zu leben. Vielleicht kann unsere Patenschaft mit Lezay einen Beitrag dazu leisten.



Quelle: Barver – Unser Dorf und seine Bewohner im Wandel der Zeit – von Wilhelm Hollberg; Seite 465 – 474 [geringfügige Anpassungen]